Richtlinie zur Ermittlung von Bodenrichtwerten
(Bodenrichtwertrichtlinie - BRWRL)
vom 11. Januar 2011 (BAnz. Nummer 24 S. 597)
1 Zweck und Anwendungsbereich
1Diese Richtlinie gibt Hinweise für die Ermittlung der Bodenrichtwerte nach § 10 der Immobilienwertermittlungsverordnung (ImmoWertV) vom 19. Mai 2010 (BGBl. I S. 639). Ihre Anwendung soll die Ermittlung und Darstellung der Bodenrichtwerte nach einheitlichen und marktgerechten Grundsätzen und Verfahren sicherstellen.
2Die Richtlinie wurde von einer Arbeitsgruppe aus Vertretern des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, des Bundesministeriums der Finanzen, der für das Gutachterausschusswesen zuständigen Ministerien der Länder sowie der Bundesvereinigung der Kommunalen Spitzenverbände erarbeitet und wird den Gutachterausschüssen zur Anwendung empfohlen.
3Bodenrichtwerte tragen zur Transparenz auf dem Immobilienmarkt bei. Sie dienen in besonderem Maße der Unterrichtung der Öffentlichkeit über die Situation am Immobilienmarkt, darüber hinaus sind sie eine Grundlage zur Ermittlung des Bodenwerts (§ 6 Absatz 1 Satz 2 ImmoWertV) und dienen der steuerlichen Bewertung.
2 Definition
Der Bodenrichtwert (§ 196 Absatz 1 BauGB) ist der durchschnittliche Lagewert des Bodens für eine Mehrheit von Grundstücken innerhalb eines abgegrenzten Gebiets (Bodenrichtwertzone), die nach ihren Grundstücksmerkmalen (§ 4 Absat 2 ImmoWertV), insbesondere nach Art und Maß der Nutzbarkeit (§ 6 Absatz 1 ImmoWertV) weitgehend übereinstimmen und für die im Wesentlichen gleiche allgemeine Wertverhältnisse (§ 3 Absatz 2 ImmoWertV) vorliegen. Er ist bezogen auf den Quadratmeter Grundstücksfläche eines Grundstücks mit den dargestellten Grundstücksmerkmalen (Bodenrichtwertgrundstück).
3 Ermittlungspflicht
Bodenrichtwerte sind soweit die Länder keine häufigere Ermittlung vorgeschrieben haben mindestens zum 31. Dezember eines jeden zweiten Kalenderjahres flächendeckend zu ermitteln (§ 196 Absatz 1 BauGB).
4 Grundlagen
1Für die Bodenrichtwertermittlung sind die Daten der Kaufpreissammlung und sonstige für die Wertermittlung erforderliche Daten, vor allem Bodenpreisindexreihen und Umrechnungskoeffizienten, zu Grunde zu legen.
2Zweckdienliche sonstige Daten und Informationen sind unterstützend heranzuziehen. Dazu können zum Beispiel gehören:
- Geobasisdaten, z. B. Liegenschaftskarte und topographische Informationen,
- Bauleitpläne, Satzungen nach § 34 Absatz 4 BauGB zur Abgrenzung von Innen- und Außenbereich, Landschaftspläne,
- Schutzgebiete, z. B. nach Denkmalschutzrecht, Naturschutzrecht und Wasserrecht,
- Erhaltungssatzungen (§ 172 BauGB),
- städtebauliche Entwicklungskonzepte nach § 171b Absatz 2 BauGB,
- Daten über Bodenordnungs-, Sanierungs- und Entwicklungsmaßnahmen, Planfeststellungen,
- Daten über Art und Umfang der Erschließung,
- Daten über die Abrechnung von Erschließungsbeiträgen und von anderen in Betracht kommenden Beiträgen und sonstigen Abgaben,
- Informationen über Mieten,
- Informationen über Pachten,
- Bodengütekarten,
- Ergebnisse der Bodenschätzung,
- Ergebnisse örtlicher Ermittlungen (z. B. Passantenfrequenzzählungen),
- Daten zur demographischen Entwicklung.
3Bei der Ermittlung von Bodenrichtwerten für Richtwertzonen am Rande des Zuständigkeitsbereiches des Gutachterausschusses, soll eine Abstimmung mit den benachbarten Gutachterausschüssen herbeigeführt werden.
5 Bildung der Bodenrichtwertzonen
1Die Bodenrichtwertzonen sollen so abgegrenzt werden, dass lagebedingte Wertunterschiede zwischen der Mehrzahl der Grundstücke und dem Bodenrichtwertgrundstück nicht erheblich sind. Wertunterschiede, die sich aus nicht mit dem Bodenrichtwertgrundstück übereinstimmenden Grundstücksmerkmalen einzelner Grundstücke ergeben (z. B. Abweichungen bei der Grundstücksfläche, individuelle rechtliche oder tatsächliche Belastungen), sind bei der Abgrenzung nicht zu berücksichtigen.
2Je Bodenrichtwertzone ist ein Bodenrichtwert anzugeben. Bodenrichtwertzonen können nicht aus räumlich getrennt liegenden Gebieten bestehen. Bodenrichtwertzonen können sich in begründeten Fällen deckungsgleich überlagern. Voraussetzung ist, dass eine eindeutige Zuordnung der Mehrzahl der Grundstücke zum jeweiligen Bodenrichtwertgrundstück gewährleistet bleibt. Bei Bodenrichtwerten nach § 196 Absatz 1 Satz 7 BauGB können sich die Bodenrichtwertzonen auch nicht deckungsgleich überlagern.
3Soweit Gemeinbedarfsflächen nicht bereits nach Absatz 1 bei der Bildung der Bodenrichtwertzone unberücksichtigt bleiben, sind Gemeinbedarfsflächen auch in den verbleibenden Fällen nur zu berücksichtigen, wenn ihre Zweckbestimmung eine privatwirtschaftliche Nutzung nicht auf Dauer ausschließt.
4Bodenrichtwertzonen für den Entwicklungszustand Bauerwartungsland und Rohbauland sind unter besonderer Berücksichtigung der Bauleitpläne sowie der Entwicklung am Grundstücksmarkt zu bilden. Sie sind so abzugrenzen, dass in der Bodenrichtwertzone ein überwiegend einheitlicher Entwicklungsgrad der Grundstücke gegeben ist.
5Im Grenzbereich des baulichen Innen- und Außenbereichs sind der Abgrenzung der Bodenrichtwertzone soweit vorhanden Satzungen nach § 34 Absatz 4 BauGB zu Grunde zu legen. Im Übrigen sind der Abgrenzung der Bodenrichtwertzone die tatsächlichen Grenzen des vorhandenen Bebauungszusammenhangs und ggf. Auskünfte der Planungs- oder der Baugenehmigungsbehörde zu Grunde zu legen.
6 Grundstücksmerkmale des Bodenrichtwertgrundstücks
1Die Grundstücksmerkmale des Bodenrichtwertgrundstücks sollen mit den vorherrschenden wertbeeinflussenden Merkmalen der Mehrheit der Grundstücke in der Bodenrichtwertzone übereinstimmen.
2Zu den wesentlichen wertbeeinflussenden Grundstücksmerkmalen des Bodenrichtwertgrundstücks gehören stets (§ 10 Absatz 2 ImmoWertV) der Entwicklungszustand und die Art der Nutzung, sowie insbesondere
- bei baureifem Land der erschließungsbeitragsrechtliche Zustand und soweit wertrelevant vor allem
- die Bauweise oder Anbauart,
- das Maß der baulichen Nutzung,
- die Grundstücksgröße (Grundstücksfläche, -tiefe oder -breite),
- bei förmlich festgelegten Sanierungsgebieten (§ 142 BauGB) und förmlich festgelegten Entwicklungsbereichen (§ 165 BauGB) der Zustand, auf den sich der Bodenrichtwert bezieht (entweder der sanierungs- oder entwicklungsunbeeinflusste oder der sanierungs- oder entwicklungsbeeinflusste Zustand)
- bei landwirtschaftlich genutzten Flächen soweit verfügbar die Bodengüte (Acker- oder Grünlandzahl).
3Die wesentlichen wertbeeinflussenden Grundstücksmerkmale sind nach Anlage 1 zu spezifizieren.
4Das Bodenrichtwertgrundstück ist frei von Merkmalen, die nur im Rahmen einer Einzelbegutachtung ermittelt werden können, insbesondere frei von
- individuellen privatrechtlichen Vereinbarungen und Belastungen (z. B. Miet- und Pachtverträge, Grunddienstbarkeiten),
- individuellen öffentlich-rechtlichen Merkmalen (z. B. Baulasten, Denkmalschutz, Bindungen des öffentlich geförderten Wohnungsbaus),
- individuellen tatsächlichen Belastungen (z. B. Altlasten).
5Bei der Festlegung der Art und des Maßes der baulichen Nutzung des Bodenrichtwertgrundstücks ist grundsätzlich die zulässige Nutzung zu Grunde zu legen. Diese ergibt sich aus den für die planungsrechtliche Zulässigkeit von Vorhaben maßgeblichen §§ 30, 33 und 34 des Baugesetzbuchs und den sonstigen Vorschriften, die die Nutzbarkeit betreffen. Wird vom Maß der zulässigen Nutzung in der Umgebung regelmäßig abgewichen, ist das Nutzungsmaß maßgebend, das im gewöhnlichen Geschäftsverkehr zu Grunde gelegt wird (§ 6 Absatz 1 ImmoWertV).
6Wird als Maß der baulichen Nutzung das Verhältnis von Geschossfläche zur Grundstücksfläche angegeben, sind auch die Flächen zu berücksichtigen, die nach den baurechtlichen Vorschriften nicht anzurechnen sind, aber der wirtschaftlichen Nutzung dienen (wertrelevante Geschossflächenzahl - WGFZ). Die Geschossfläche ist nach den Außenmaßen der Gebäude in allen Vollgeschossen zu ermitteln. Die Flächen von Aufenthaltsräumen in anderen Geschossen einschließlich der zu ihnen gehörenden Treppenräume und ihrer Umfassungswände sind mitzurechnen. Soweit keine anderweitigen Erkenntnisse vorliegen, ist
- die Geschossfläche eines ausgebauten oder ausbaufähigen Dachgeschosses pauschal mit 75 % der Geschossfläche des darunterliegenden Vollgeschosses,
- die Geschossfläche des Kellergeschosses, wenn Aufenthaltsräume vorhanden oder möglich sind, pauschal mit 30 % des darüberliegenden Vollgeschosses
zu berechnen.
7Bodenrichtwerte für baureifes Land sind in der Regel für erschließungsbeitragsfreie und kostenerstattungsbetragsfreie Grundstücke zu ermitteln. Aufgrund örtlicher Gegebenheiten können Bodenrichtwerte mit dem folgenden abweichenden beitrags- und abgabenrechtlichen Zustand ermittelt werden:
- erschließungsbeitrags-/kostenerstattungsbetragsfrei und abgabenpflichtig nach Kommunalabgabengesetz,
- erschließungsbeitrags-/kostenerstattungsbetragspflichtig und abgabenpflichtig nach Kommunalabgabengesetz.
Der dargestellte beitrags- und abgabenrechtliche Zustand soll der Mehrheit der Grundstücke innerhalb der Bodenrichtwertzone entsprechen. Der Einfluss der Beiträge und Abgaben auf den Bodenrichtwert ist am Marktverhalten zu orientieren.
7 Ermittlung der Bodenrichtwerte
1Bodenrichtwerte sind vorrangig im Vergleichswertverfahren zu ermitteln. Die Kaufpreise sind mittels Umrechnungskoeffizienten oder anderer geeigneter Verfahren an die Merkmale des Bodenrichtwertgrundstücks und mittels Indexreihen an den Stichtag der Bodenrichtwertermittlung anzupassen.
2Für die Bodenrichtwertermittlung in Gebieten ohne oder mit geringem Grundstücksverkehr sind
- Kaufpreise und Bodenrichtwerte aus vergleichbaren Gebieten,
- Kaufpreise und Bodenrichtwerte vorangegangener Jahre die mit Indexreihen an die allgemeine Marktentwicklung angepasst werden,
heranzuziehen. Darüber hinaus können andere marktbezogene Verfahren Anwendung finden, z. B. deduktive Verfahren, Zielbaummethode, Wohn-/Geschäftslagenklassifizierung, Miet- und Pachtentwicklung, Verhältnis der Mieten in Geschäftslagen, Mietsäulenverfahren.
3Bei bebauten Grundstücken ist der Wert zu ermitteln, der sich ergeben würde, wenn der Boden unbebaut wäre (§ 196 Absatz 1 Satz 2 BauGB). Dabei ist zu beachten, dass Zustand und Struktur der das Gebiet prägenden Bebauung als Lagemerkmal (§ 6 Absatz 4 ImmoWertV) den Bodenwert beeinflussen können.
4Bei forstwirtschaftlich genutzten Grundstücken enthält der Bodenrichtwert keinen Wertanteil für den Aufwuchs.
5Die Bodenrichtwerte sind als ein Betrag in Euro pro Quadratmeter Grundstücksfläche zu ermitteln. Bodenrichtwertspannen sind nicht zulässig.
6Das Verfahren für die Ableitung der Bodenrichtwerte ist zu dokumentieren, um es bei Bedarf nachvollziehbar darlegen können. Einzelne Bodenrichtwerte sind nicht zu begründen.
8 Bereitstellung der Bodenrichtwerte
1Bodenrichtwerte sind mit ihren wertbeeinflussenden Merkmalen nutzergerecht bereitzustellen. Zur Berücksichtigung von Wertunterschieden, die auf Abweichungen von den wesentlichen wertbeeinflussenden Merkmalen des Bodenrichtwertgrundstücks beruhen, sind Umrechnungskoeffizienten oder Zu- bzw. Abschläge anzugeben. Es ist auch anzugeben, wenn der Bodenrichtwert für verschiedene Nutzungsarten oder Nutzungsmaße Geltung hat. Bei einer Darstellung der Bodenrichtwerte in einer analogen Karte ist eine Erläuterung in der in Anlage 2 dargestellten Form beizufügen.
2Bodenrichtwerte sind automatisiert in einem Informationssystem zum Immobilienmarkt zu führen und für die Öffentlichkeit bereitzustellen. Dabei kann der in Anlage 3 beschriebene Datenstandard verwendet werden.
- Anlagen hier nicht abgedruckt. -
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